Die Welt heute wird von zwölf Megatrends bestimmt, die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen und Anforderungen an Führungskräfte verändern. Darunter fallen z.B. auch die derzeit in Unternehmen stark wahrnehmbaren Trends der Globalisierung, Konnektivität, Individualisierung, Mobilität, New Work, Sicherheit und Wissenskultur (Zukunftsinstitut 2021).
Die Unternehmenswelt ist VUCA
Die Herausforderungen für Unternehmen sind vielfältig und werden häufig mit dem Akronym VUCA-Welt beschrieben. VUCA steht für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) und beschreibt damit eindrücklich, dass Unternehmen sich in einem hochdynamischen Umfeld bewegen, das enorm von technologischen, politischen, marktwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unsicherheiten geprägt ist. Allein die Entwicklung neuer digitaler Technologien erfolgt rasant (Krcmar 2018, Oswald et al. 2018). Mit der Entwicklung neuer Technologien entstehen gleichzeitig neue Geschäftsmodelle, die bisherige Vorgehensweisen obsolet werden lassen können. So entwickeln sich z. B. klassische Automobilhersteller immer mehr zu durch IT getriebene Hightech-Unternehmen (Riasanow et al. 2018). Die Finanz- und Versicherungsindustrie wird durch die sogenannten FinTechs unter Druck gesetzt. Kryptowährungen, Künstliche Intelligenz, Big Data und Blockchains gewinnen immer mehr an Bedeutung (Alt und Puschmann 2016, Peters 2017). Unternehmen müssen auf diese Entwicklungen eine Antwort finden. Zeitgleich wird das Lösen von Problemen bzw. die Identifizierung von Problemfeldern für Unternehmen immer komplexer. Klassische Managementmethoden, die auf strategischer Planung basieren und von ausreichendem Wissen innerhalb einer Organisation ausgehen, kommen unweigerlich an ihre Grenzen. Auch wenn Agilität nicht in jedem Bereich des Unternehmens gleich wichtig ist, so ist sie doch vor allem in innovativen Unternehmensbereichen unumgänglich. Nur ein agiles Vorgehen schafft den Rahmen, um mit Uneindeutigkeit umgehen, Fehler schnell identifizieren und Prozesse dynamisch anpassen zu können (Hofert 2018).
Für die Lösung komplexer Probleme wird immer mehr unterschiedliches Wissen benötigt. Eine Führungsperson allein ist daher nicht mehr in der Lage, alle Entwicklungen und mögliche Lösungen wahrnehmen und verstehen und darüber hinaus noch klare Handlungsanweisungen aussprechen zu können. Die Komplexität in der Führung wird zudem durch das Thema New Work erhöht, das mit einem neuen kulturellen Verständnis in Unternehmen, einer höheren Transparenz, mobilem Arbeiten und flacheren Hierarchien einhergeht (Creusen et al. 2017, Hofert 2018).
Welche Anforderungen müssen Führungskräfte erfüllen?
Um den Fokus nicht zu verlieren, müssen Führungskräfte daher in der Lage sein, ihren Mitarbeiter*innen eine Vision zu vermitteln, sie für diese zu begeistern und einen Rahmen zu schaffen, in dem Mitarbeitende eigenverantwortlich an Problemen und Lösungen arbeiten und sich dafür selbst organisieren können.
Aufgabe von Führungskräften ist es somit, die notwendigen internen und externen Netzwerke aufzubauen, Mitarbeiter*innen partizipieren zu lassen, sie aktiv zur eigenverantwortlichen Arbeit zu motivieren und offen zu sein für neue Entwicklungen. Sie benötigen dafür ein agiles Mindset, welches auf Vertrauen in sich selbst und in andere fußt (Creusen et al. 2017; Hofert 2018; Werning 2021). Sie müssen sich zunehmend von Expert-Leadern, die für sich beanspruchen, Expert*innen in ihrem Gebiet zu sein und alles zu wissen, zu sogenannten Catalyst-Leadern entwickeln, die vor allem für einen guten Arbeitsrahmen für ihre Mitarbeiter*innen sorgen, diese befähigen und sich kontinuierlich entwickeln lassen und Netzwerke nach innen und außen aufbauen (Joiner und Josephs: 2016).
Um selbst gut mit der Komplexität umgehen zu können ist es zudem wichtig, dass Führungskräfte über eine gute Resilienz, gepaart mit einer hohen Kontrollüberzeugung verfügen. Resiliente Personen sind in der Lage, auch mit Unerwarteten und problematischen Situationen lösungsorientiert umzugehen und bewahren sich ihren Optimismus. Eine hohe Kontrollüberzeugung ist zudem wichtig, um sich nicht hilflos den Umständen ausgeliefert zu fühlen und damit in eine Passivität zu kommen, sondern das Gefühl zu haben, dass Umstände aktiv verändert werden können (Hoffmann 2016, Heller 2019).
Wie sind Führungskräfte aktuell aufgestellt?
Um zu sehen, ob Führungskräfte diese Anforderungen derzeit erfüllen, wurden von der Fachhochschule des Mittelstands für die L&D Support GmbH Profilizer-Analysen der vergangenen fünf Jahre von Führungskräften und Führungsnachwuchskräften aus den Bereichen Automotive, Finanzen und Verwaltung ausgewertet. Dafür wurden die Antworten aus den Profilizer-Analysen den jeweiligen Items aus dem Future Skills: Agilitätsscan, der Future Skills: Digital Readiness-Analyse sowie der Future Skills: Digital Leadership & Management-Analyse zugeordnet.
Aus den 998 Profilen ergab sich folgendes Bild:
In Bezug auf agilitätsbezogene Kompetenzen wird deutlich, dass Führungskräfte bereits jetzt teamorientiert arbeiten und damit Partizipation grundsätzlich ermöglichen. Im Mittel erzielen sie hier einen Wert von 64 von 100 Punkten. Hinsichtlich der internalen Kontrollüberzeugung erzielen Führungskräfte einen Mittelwert von 58 Punkten, was darauf schließen lässt, dass Führungskräfte sich nicht der Umwelt ausgeliefert fühlen, sondern Ursachen für Probleme oder Geschehnisse zunächst bei sich suchen. Dies ist eine entscheidende Kompetenz, um sich stetig weiterzuentwickeln und Prozesse zu optimieren.
Ebenso sind eine gute Stressresistenz und Lösungsorientierung mit jeweils 61 von 100 Punkten vorhanden. Um jedoch die zunehmende Dynamik gepaart mit zunehmender Komplexität und Unsicherheit erfolgreich bewältigen zu können, ist es erforderlich, dass Führungskräfte noch besser lernen, sich bei unerwarteten Entwicklungen anzupassen. Hier wird im Mittel nur ein Wert von 48 erreicht. Ebenso weisen Führungskräfte derzeit nur einen mittleren Resilienzwert von 46 auf. Dies ist als unterdurchschnittlich zu betrachten.
Gerade die eigene Resilienz ist jedoch von hoher Bedeutung in Bezug auf Anpassungsfähigkeit und Umgang mit unerwarteten Geschehnissen. Dazu kommt, dass Führungskräfte beim Thema „Aufopferung für andere“ einen Wert von 61 erzielen und damit dazu neigen, im Zweifel Dinge selbst zu erledigen, die andere nicht schaffen oder die sie anderen nicht zutrauen.
Das „selbst aufopfern“ könnte durch das Bilden von Netzwerken vermieden werden. Bei der so wichtigen Netzwerkkompetenz kommen Führungskräfte auf einen mittleren Wert von 56, so dass diese weiter gestärkt werden sollte, um für die VUCA-Welt gut gerüstet zu sein. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass Führungskräfte über gute kommunikative Fähigkeiten und eine hohe zwischenmenschliche Sensitivität verfügen. Hier werden Werte von 61 und 60 erzielt. Dies ist insbesondere eine wichtige Voraussetzung, um Mitarbeiter*innen eine Vision zu vermitteln, sie für den Weg des Unternehmens zu begeistern und in agilen Kontexten transparent arbeiten zu können.
Agiles Arbeiten erfordert, neben der Fähigkeit zu Kollaboration und der Kenntnis agiler Methoden, aktives Handeln und Initiative. Hier ist über alle Führungskräfte hinweg ein Mittelwert von 55 gegeben. Tendenziell haben Führungskräfte damit die Neigung, aktiv zu handeln. Wichtig ist hier, dass Führungskräfte, wenn sie selbst zu anderen Verhaltensmustern neigen, sich ein entsprechendes Team aufbauen, das eigenverantwortlich und aktiv handeln kann. Betrachtet man die Kompetenzen „Agiles Arbeiten“ und „Kollaboration“ zeigt sich jedoch, dass Führungskräfte im Mittel nur auf einen Wert von 52 kommen. Diese Fähigkeit ist damit deutlich auszubauen, damit Führungskräfte hinsichtlich ihrer Future Skills gut aufgestellt sind.
Es wird deutlich, dass gemessen an den Mittelwerten aller untersuchten Profilizer-Profile, Führungskräfte derzeit ihre Kompetenzen noch deutlich stärken sollten, um für die digitale und agile Arbeitswelt gut aufgestellt zu sein. Mit der gezielten Messung von Agilität, Digital Readiness, Digital Leadership und Managementkompetenzen durch die L&D Future Skills-Analysen wird es zukünftig möglich sein, noch genauere Aussagen zu den Zukunftskompetenzen von Führungskräften in Deutschland zu treffen.
Zur Autorin: Prof. Dr. Ellena Werning ist Professorin für BWL mit Schwerpunkt Personalmanagement an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) sowie Forschungsdirektorin für Digitalisierung und Sicherheit. Sowohl in ihrer Rolle als Studiengangsleiterin des MBA Studiengang „Innovation & Leadership“, als auch in ihrer Rolle als freiberufliche Leadershiptrainerin und Business Coach, beschäftigt sie sich intensiv mit dem Thema „Digital Leadership“ und veränderten Anforderungen an Führungskompetenzen.